Psychische Gewalt

Kinderschutz: Begriffs-Erläuterungen

  • Je nach institutionellem Kontext (Kinder- und Jugendhilfe, Kindertagespflege, Schulwesen, Sozial¬hilfe, Gesundheitswesen, Arbeitsvermittlung, …) in dem ein Professioneller Helfer als Fachkraft tätig ist, ergeben sich Unterschiede hinsichtlich des Verständnisses von Kindeswohl.

    Dabei differenziert sich das Bedeutungsfeld des Begriffs über die Entwicklung, das Aufwachsen und die Erziehung und Förderung von Kindern und Jugendlichen vom Fokus eines:

    1. Allgemeinen Förder- und Unterstützungsbedarfs über
    2. längerfristige und umfassender Hilfe aufgrund besonderer Belastungen bis hin zur
    3. Kindeswohlgefährdung.
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    Das Kindeswohl in diesen unterschiedlichen Ausprägungen und Formen steht immer im Zentrum der fachlichen Arbeit der Professionellen Helfer in den verschiedenen Institutionen.

    Von der allgemeinen Förderung und Unterstützung (die viele problematische Erziehungssituationen bzw. Entwicklungssituationen mit unterschiedlichen Schweregrad und Dauer umfasst) sowie einer angemessenen Erziehung und Förderung unter besonderen Belastungen sind also die Situationen abzugrenzen, in denen das Kindeswohl konkret durch Schädigungen, Verletzungen oder Entwicklungseinschränkungen der physischen und/oder psychischen Gesundheit gefährdet ist!
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  • Der Begriff „Gewichtige Anhaltspunkte“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Er ist Bestandteil des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG).

    Gleichzeitig sind gewichtige Anhaltspunkte der Ausgangspunkt des Tätigwerdens des Jugendamtes, wenn diese Anhaltspunkte aus direkten und indirekten Mitteilungen, Beobachtungen bzw. Schlussfolgerungen verschiedener Informationsquellen (z.B. durch Hinzuziehung einer insoweit erfahrenen Fachkraft) infolge der Abschätzung des Gefährdungsrisikos durch die beteiligten Professionellen Helfer als gewichtig eingeschätzt werden.

    Die besondere Herausforderung für professionellen Helfer besteht dabei in der Individualität und der Mehrdeutigkeit menschlicher Handlungen:

    Kinder und Jugendliche verarbeiten die Erfahrung von Gewalt auf ihre eigene Art. So, dass sie Hinweise für ihr Schicksal und ihre Not geben. Diese Hinweise und Signale sind aber selten eindeutig. Darum sind sie leicht zu übersehen. Umgekehrt gibt es Signale, die wir fälschlicherweise mit Gewalt in Verbindung bringen könnten. Dennoch müssen wir auf Hinweise und Signale achten, um betroffenen Kindern und Jugendlichen helfen zu können.

  • Hierzu ist es zunächst nötig, sich einiger Begrifflichkeiten klar zu werden, also zu reflektieren, worauf die zu beschreibenden Anhaltspunkte bezogen sind.

    Kindeswohlgefährdung ist „eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen lässt“ (BGH, FamRZ, 1956, 350, zitiert nach Kindler; Lillig 2005).

    Meist werden fünf Formen der Kindeswohlgefährdung unterschieden:

    • Vernachlässigung
    • Körperliche Gewalt
    • Psychische Gewalt
    • Sexuelle Gewalt
    • Häusliche Gewalt


  • Vernachlässigung ist ein „andauerndes oder wiederholtes Unterlassen fürsorglichen Handelns bzw. Unterlassen der Beauftragung geeigneter Dritter mit einem solchen Handeln durch Eltern oder andere Sorgeberechtigte, das für einen einsichtigen Dritten vorhersehbar zu erheblichen Beeinträchtigungen der physischen und/ oder psychischen Entwicklung des Kindes führt oder vorhersehbar ein hohes Risiko solcher Folgen beinhaltet“ (Kindler 2006a).



  • Körperliche Misshandlungen sind „Handlungen von Eltern oder anderen Bezugspersonen…, die durch Anwendung von körperlichem Zwang bzw. Gewalt für einen einsichtigen Dritten vorhersehbar zu erheblichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen des Kindes und seiner Entwicklung führen oder vorhersehbar ein hohes Risiko solcher Folgen bergen“ (Kindler 2006c).



  • Seelische Misshandlungen sind „wiederholte Verhaltensmuster der Betreuungsperson oder Muster extremer Vorfälle, die Kindern zu verstehen geben, sie seien wertlos, voller Fehler, ungeliebt, ungewollt, sehr in Gefahr oder nur dazu nütze, die Bedürfnisse eines anderen Menschen zu erfüllen“ (American Professional Society on Abuse of Children (APSAC 1995), zitiert nach Kindler 2006b).



  • Sexueller Missbrauch „ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Der Täter nutzt seine Macht- und Autoritätsposition aus, um seine eigenen Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen“ (Bange; Deegener 1996, zitiert nach Unterstaller 2006).

  • „Häusliche Gewalt liegt vor, wenn Personen innerhalb einer bestehenden oder aufgelösten familiären, ehelichen oder eheähnlichen Beziehung physische, psychische oder sexuelle Gewalt ausüben oder androhen“ (Marianne Schwander (2003) Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt: Neue Erkenntnisse – neue Instrumente. In: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Band 121, Heft 2, Bern: Stämpfli).

    Unter den Oberbegriff der häuslichen Gewalt fallen deshalb nicht nur Gewalt in Paarbeziehungen (vor, während und nach einer Trennung), sondern auch Gewalt gegen Kinder, Gewalt von Kindern gegenüber ihren Eltern, Gewalt zwischen Geschwistern und Gewalt gegen im Haushalt lebende ältere Menschen.

    Je nach verwendeter Definition äußert sich häusliche Gewalt nicht nur in körperlichen Übergriffen, sondern auch in subtileren Gewaltformen. So wird wird unterschieden zwischen körperlicher Gewalt (Schlagen, Stoßen, Schütteln, Beißen, Würgen, mit Gegenständen werfen, andere tätliche Angriffe usw.), sexueller Gewalt (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Zwang zur Prostitution usw.), psychischer Gewalt (Drohungen, Nötigung, Nachstellen (Stalking), Freiheitsberaubung, aber auch Gewaltformen wie Beschimpfung, Bevormundung, Demütigung, Einschüchterung, emotionale Manipulation, Verbote, Kontrolle und Bespitzelung von Sozialkontakten usw.) und sozial interaktiver Gewalt (Verbot oder Zwang zur Arbeit, kein Zugang zum gemeinsamen Konto, Beschlagnahme des Lohns usw.).